Das Arbeitnehmererfindungsrecht unterscheidet zwischen Erfindungen, die patent- oder gebrauchsmusterfähig sind (§ 2 ArbEG) und Verbesserungsvorschlägen, die sonstige technische Neuerungen betreffen, die nicht patent- oder gebrauchsmusterfähig sind (§ 3 ArbEG).
Verbesserungsvorschläge sind im ArbEG eigens in § 20 ArbEG geregelt. Der Paragraf hat zwei Absätze, die sich beide auf „technische Verbesserungsvorschläge“ beziehen. Eine Unterscheidung von Verbesserungsvorschlägen geht daraus nicht direkt hervor.
Tatsächlich sieht die herrschende Meinung das anders.
Qualifizierte technische Verbesserungsvorschläge
Technische Verbesserungsvorschläge nach § 20 (1) ArbEG sind diejenigen, die dem Arbeitgeber eine ähnliche Vorzugsstellung (monopolähnliche Stellung) verleihen wie ein Schutzrecht. Diese werden als qualifizierte technische Verbesserungsvorschläge bezeichnet. Wann aber ist der Arbeitgeber in einer solchen Position?
Die Beantwortung dieser Frage ist alles andere als trivial. Der Einigungsvorschlag der Schiedsstelle (Arb.Erf 20/10) sieht dazu vor:
„Die Neuerung muss dem Arbeitgeber deshalb eine vorteilhafte Sonderstellung in technischer Hinsicht vermitteln. Die technische Qualität des Vorschlags muss diesen gegenüber dem allgemeinen Stand der Technik herausheben. An einer solchen Vorzugsstellung fehlt es deshalb stets, wenn die Neuerung zuvor Allgemeingut der Technik gewesen ist. Auch eine Verbesserung, die so nahe liegend ist, dass ein mit dem Problem befasster Fachmann ohne besondere Bemühungen eine identische oder gleichwertige Lösung finden würde, gewährt dem Arbeitgeber keine Vorzugsstellung wie ein gewerbliches Schutzrecht.“
Eine Abgrenzung zum Stand der Technik muss also vorliegen. Ist der Vorschlag dem Wettbewerb bekannt, also nicht neu im patentrechtlichen Sinne, so besteht keine Vorzugsstellung des Arbeitgebers. Jeder Wettbewerber kann auf das bekannte Wissen aus dem Stand der Technik zugreifen.
Andererseits muss die Vorzugsstellung geringer sein, als sie es bei einer patentfähigen Erfindung wäre. Denn wäre der Vorschlag patentfähig, würde es sich um eine Erfindung gemäß § 2 ArbEG und nicht um einen Verbesserungsvorschlag nach § 3 ArbEG handeln. Da das Patentrecht keine Anforderungen an die erfinderische Höhe stellt, ist der Bereich, der für qualifizierte Verbesserungsvorschläge vorgesehen ist, sehr eng. Dementsprechend kommt das Vorliegen eines qualifizierten Verbesserungsvorschlags selten vor.
Im Ergebnis muss der Verbesserungsvorschlag also neu sein (§ 3 PatG), darf aber nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im patentrechtlichen Sinne (§ 4 PatG) beruhen.
Einfache technische Verbesserungsvorschläge
Das Gesetz legt gemäß § 20 (2) ArbEG fest, dass technische Verbesserungsvorschläge der Regelung durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung überlassen sind. Damit wird gewissermaßen eine Ausnahme für die Vorabregelung von Vereinbarungen über Erfindungen nach § 22, Satz 2 ArbEG geschaffen. Das bedeutet, dass technische Verbesserungsvorschläge kollektivrechtlich, bspw. zusammen mit dem Betriebsrat durch den Betriebsrat oder in einer betriebsüblichen Praxis im Arbeitsvertrag geregelt werden können.
Die herrschende Meinung sieht vor, dass sich die Verbesserungsvorschläge nach § 20 (2) ArbEG, einfache Verbesserungsvorschläge genannt, von den qualifizierten Verbesserungsvorschlägen abgrenzen.
Aus dieser Abgrenzung wird gefolgert, dass die Anforderungen an einfache technische Verbesserungsvorschläge geringer sein müssen, als die für qualifizierte technische Verbesserungsvorschläge. In Bezug auf die rechtliche Voraussetzung kann daraus daher nur gefolgert werden, dass auch das Erfordernis der Neuheit nicht so streng bewertet werden darf. Ganz wegfallen darf es allerdings nicht, da ansonsten keine Vorzugsstellung des Arbeitgebers mehr vorliegt.
Die Schiedsstelle folgt außerdem der Fachliteratur hinsichtlich der Auffassung, dass sich § 20 (2) ArbEG nicht nur auf die Vorabregelung durch einen Tarifvertrag oder eine Betriebsvereinbarung bezieht, sondern auch die übrigen Regelungen des ArbEG umfasst. Damit begründet sie, dass sie für einfache Verbesserungsvorschläge nicht zuständig sei (Arb.Erf 20/10).
„Für Streitigkeiten über nach § 20 Abs. 2 ArbEG dem Anwendungsbereich des ArbEG entzogenen einfachen technischen Verbesserungsvorschlägen ist die Schiedsstelle nach § 28 ArbEG sachlich unzuständig.“
Problematik der Unterscheidung
Meiner Meinung nach ist eine Unterscheidung von qualifizierten und einfachen Verbesserungsvorschlägen weder aus dem Gesetz heraus begründet, noch praktikabel oder in der Sache sinnvoll.
Hätte der Gesetzgeber gewollt, dass § 20 ArbEG zwei unterschiedliche Verbesserungsvorschläge betrifft, so hätte er dies gekennzeichnet. Eine Gelegenheit dazu hätte die Novelle von 2009 geboten. Diese wurde aber nicht wahrgenommen. § 20 ArbEG verwendet stattdessen in beiden Absätzen einheitlich der Begriff des technischen Verbesserungsvorschlags.
Bereits die Abgrenzung eines technischen Verbesserungsvorschlags von einer (schutzfähigen) Erfindung ist schwierig, da das Erfordernis der erfinderischen Tätigkeit kein hartes, sondern ohnehin stets der Auslegung und der Interpretation bedarf. Dies stellt den Arbeitgeber im Zweifel vor das praktische Problem, eine eingegangene Meldung dahingehend zu bewerten, ob ein Verbesserungsvorschlag oder eine Erfindung vorliegt. Ohne eine entsprechende Recherche, die den Stand der Technik gebührend abdeckt, ist hierzu schwerlich eine Aussage zu treffen. Auch kann die Einschätzung, ob es sich um einen Verbesserungsvorschlag oder eine Erfindung handelt, nur schwerlich dem Arbeitnehmer auferlegt werden, wenn die Einordnung durch den Arbeitgeber schon schwierig ist.
Auslegung am Wortlaut
Wird § 20 ArbEG jedoch am Wortlaut ausgelegt, so ergibt sich für das Rechtsgebilde „technischer Verbesserungsvorschlag“ die Voraussetzung, dass der Gegenstand neu sein muss, nicht aber erfinderisch sein darf.
Das Zahlen einer Vergütung für einen Gegenstand, der nicht neu ist, würde außerdem dem Grundgedanken der Arbeitnehmererfindungsvergütung entgegenlaufen. Danach entsteht der Anspruch auf eine Vergütung nicht für die Erfindung oder den Vorschlag per se. Vielmehr handelt es sich dabei um Arbeitsergebnisse, die ohnehin dem Arbeitgeber aus einer Nebenpflicht des Dienstvertrages zustehen. Stattdessen schuldet der Arbeitgeber die Vergütung für das Erlangen einer Monopol- oder monopolähnlichen Stellung.
Ein Verbesserungsvorschlag, der die Erfordernisse der Patentfähigkeit nicht erfüllt und dem Arbeitgeber dennoch eine Vorzugsstellung ermöglicht, wird demgegenüber einen reduzierten Anspruch des Arbeitnehmers zur Folge haben. Die gängige Praxis, die Vergütung eines technischen Verbesserungsvorschlags im Vergleich zu der Vergütung bei einer Erfindung zu reduzieren, erscheint daher angebracht und gerechtfertigt.
Dass sich die Schiedsstelle für sachlich unzuständig hält, kann ich hingegen nicht nachvollziehen. Das Arbeitnehmererfindungsrecht regelt die Sachverhalte, die sich auf technische Verbesserungsvorschläge beziehen. Die bloße Ausnahmeregelung, dass die Rahmenbedingungen für Vergütungen tariflich oder betrieblich vorab regelbar sind, entbinden sie meines Erachtens nicht von ihrer Pflicht, diesen Sachverhalt einzuordnen und einen gütlichen Einigungsvorschlag an die Parteien zu unterbreiten. Folgerichtig müsste die Schiedsstelle für jedweden Verbesserungsvorschlag sachlich zuständig sein.
Zusammenfassung und Fazit
In der Fachliteratur und nach herrschender Meinung der Schiedsstelle wird zwischen qualifizierten und einfachen Verbesserungsvorschlägen unterschieden.
Die Unterscheidung hat unterschiedliche Rechtsfolgen nicht nur hinsichtlich der Regelung der Vergütung, sondern auch bezüglich der Zuständigkeit der Schiedsstelle.
Ich bezweifle, dass die Unterscheidung sinnvoll oder vom Gesetzgeber so vorgesehen ist. In der Praxis führt sie zu vermeidbarem Mehraufwand für Arbeitgeber und geringerem Verständnis und Handhabbarkeit durch beide Parteien. Letzteres trifft insbesondere in der Regel nicht juristisch beratene Arbeitnehmer besonders hart. Eine Vereinheitlichung des Begriffs des technischen Verbesserungsvorschlags hätte daher eine Vereinfachung der Rechtsmaterie zur Folge, von der Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichermaßen profitieren würden.